Michael Schaefer
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Lilian Engelmann: When Paris meets Margaret
Über die Fotoserie „Les acteurs“ von Michael Schäfer
Josef Ackermann und Albert Einstein haben etwas gemeinsam: Beide sind Teil des medialen Gedächtnisses geworden durch den massenhaften Abdruck zweier Bilder auf denen beide eine einprägsame Geste vollziehen. Man kann mittlerweile kein Bild des Vorstandchefs der Deutschen Bank, Josef Ackermann, mehr ansehen, ohne dass dieser nicht doch die Finger zum Victory-Zeichen erhebt und beim Anblick eines Bildes des Physikers Albert Einstein warten man auf den Moment, in dem er nun doch noch seine Zunge herausstreckt. Die festgehaltenen Gesten wurden bei beiden Männern in der Öffentlichkeit als Ausdruck ihres wahren Charakters interpretiert und schienen ohnehin schon vorhandene, stereotype Identitätszuweisungen zu bestätigen. Die Geste, als unbewusster Ausdruck des Körpers, schien nicht lügen zu können und so wurde der eine für immer zum siegesgewissen und skrupellosen Banker und der andere zum genialen und verrückten Wissenschaftler. Die Beredsamkeit der Geste und die damit einhergehende zwiespältige Rhetorik des Porträts ist es auch, die einem bei der Fotoserie „Les acteurs“ (2007) von Michael Schäfer begegnet. Zwischen den Porträtaufnahmen von Jugendlichen und den von ihnen eingenommen und inszenierten (erwachsenen) Gesten schwankt der Blick des Betrachters und beginnt dabei zwischen einer individuellen Darstellung und stereotyper Repräsentation zu oszillieren. Michael Schäfer bat Schülerinnen und Schüler des Internats Salem sich selbst, quasi in einer Art Vorausschau, als erfolgreiche Berufstätige zu inszenieren. Sie sollten dabei in jenen Haltungen posieren, die sie sich vorstellen könnten, auch für ein späteres Porträt, das etwa in einem Jahresbericht aufgenommen würde, einzunehmen. Welche Posen sie tatsächlich für ihr Porträt einnehmen, bzw. wie sie sich inszenieren wollten, oder ob sie die an sie herangetragene Aufgabe durch die ironische Verwendung bestimmter Gesten brechen mochten, war ihnen jedoch frei gestellt. Die Aufnahmen zu der Serie entstanden mit einer Digitalkamera. Dadurch war es den Porträtierten möglich, umgehend ihre Aufnahmen zu überprüfen und ihre Haltung und Pose zu korrigieren, so lange, bis ihrer Meinung nach das richtige Bild von ihnen entstanden war. Das Porträt galt lange Zeit als das Bild des Menschen, das es ermöglichen sollte, den unverwechselbaren Kern einer Person und damit seine Individualität zum Vorschein zu bringen. Doch, so wenig sich die Identität eines Menschen anhand eines Bildes festhalten lässt, so ist auch das Sich-abbilden-lassen selbst einem Spiel dauernder Maskerade unterworfen. In der Porträtserie von Michael Schäfer wird das Abbild des Menschen mit einer gestischen Handlung verbunden und die Geste dabei in den Vordergrund der fotografischen Aufnahme gestellt. Dies geschieht zum einen durch die verwendeten fotografischen Mittel und zum anderen durch das Serielle der Aufnahmen. Der bildhafte Charakter der Aufnahmen, d.h. dass die Porträts weniger lebensnah und vielmehr wie die Imitation von Bildern selbst wirken, wird vor allem durch die Verwendung eines monochromen blauen Hintergrundes und einer im gesamten Bild gleich bleibenden Schärfe (im Gegensatz zur üblichen Fokussierung auf das Gesicht des Porträtierten) erzeugt. Der serielle Modus von „Les acteuers“ lädt den Betrachter dazu ein, die unterschiedlich eingenommenen Gesten und Posen zu vergleichen, sowie Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der glaubhaften Inszenierung der Gesten festzustellen. Die von den Jugendlichen jeweils ausgewählte Geste und ob es ihnen gelingt, sich mit dieser überzeugend darzustellen, ist es, was den Betrachter auch dazu verführt, spekulative Aussagen über die abgebildeten Personen zu treffen. In den 26 Porträts gehen die Jugendlichen sehr unterschiedlich mit dem inszenatorischen Potential der Geste um. Während einige der entstandenen Porträts wie Parodien auf bekannte Gesten wirken, beziehen sich andere Jugendliche in ihren Bilder ganz so, wie der Medientheoretiker Jean Baudrillard es festhielt, auf massenmediale Stereotypen oder Simulacren und werden dabei selbst zu projektiven Oberflächen. Der Betrachter kann sich im Vergleich der Bilder so zum Beispiel fragen: Sind jene vielleicht Kinder aus wohlsituiertem Hause mit Industriellen Hintergrund, die die Codes der Repräsentation früher erlernen, und jene die Stipendiaten, die noch unsicher nach einer Haltung suchen aber einst das neue Aufsteigertum ausmachen werden? Die jungen Frauen und Männer imitierten mit den eingenommenen und von ihnen ausgewählten Gesten Repräsentationscodes, die ihnen vertraut sind und mit denen sie selbst eine bestimmte Außenwirkung verbinden. Denn diese Jugendlichen, die ja eine so genannte Eliteschule besuchen, werden bereits während ihrer Schulzeit darauf vorbereitet, schon bald die neue Führungselite zu bilden. Dazu gehört auch, sich als Person in Szene setzten zu können und Selbstsicherheit und Machtbewusstsein auszustrahlen. Um diese in einer Person liegenden Eigenschaften zu vermitteln, bedarf es nach außen kommunizierbarer Codes, wie etwa bestimmter Gesten, die durch das Medium Fotografie längst festgehalten und verbreitet worden sind, und die deshalb bereits im Gedächtnis des Betrachters verankert sind. Die Jugendlichen in „Les acteuers“ ahmen deshalb nicht nur klassische Repräsentationscodes nach, sie imitieren dabei auch die Fotografie selbst, die diese Codes erst vermittelt. Bei der Auswahl der Gesten spielen die Jugendlichen jedoch nicht nur mit ganz bestimmten Repräsentationscodes, sie beginnen auch Posen und Haltungen aus unterschiedlichen Kontexten zu vermischen. In den 26 Fotografien fällt zum Beispiel auf, dass die jungen Frauen mit hochgeschlagenen Kragen und zum Teil weit aufgeknöpften Blusen mehr zeigen als einen Stereotyp weiblicher Businesskultur. Das abrufbare Bild der gestandenen Geschäftsfrau wird hier kombiniert mit Posen, die wohl eher aus der Populärkultur kommen. Es kommt auf der Bildebene quasi zu einem Treffen zwischen Paris Hilton und Margaret Whitman (Präsidentin und CEO von eBay). Die Porträtaufnahmen der Jugendlichen und der durch die Gesten ins Spiel gebrachte Körper, als Akteur bewusster und unbewusster Handlungen ist es, was bei der Betrachtung der Porträts von Michael Schäfer verunsichert. Die noch von der Pubertät gezeichneten Gesichter und die gespielten und nachgeahmten Posten verbinden Gegenwart und Zukunft in einem Bild miteinander und zeigen, wie der Körper Ausdruck freiwilliger und unfreiwilliger Zukunftsfolien wird. Besonders die Aufnahmen der jungen Frauen scheinen in „Les acteurs“ zu offenbaren, von welchen Prägungen und gleichzeitig von welchen Begehren der (wenn auch gespielte) gestische Ausdruck bestimmt ist. Hier wird deutlich, dass durch die Verbindung unterschiedlicher Gesten aus jeweils unterschiedlichen Kontexten mit spezifischen Repräsentationscodes (unbewusst) gebrochen wird. Die Geste erhält dadurch ein widerständiges Potential: Indem sich in ihr konträre Zuschreibungen, wie Seriosität und Laszivität verbinden, wird sie zum Ausdruck einer vielschichtigen Identität. Lilian Engelmann, 2008
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