Michael Schaefer
Text_C-Stein
Die Pressebilder von Michael Schäfer
Claudia Stein:
Es ist schon eine Weile her, dass die Diskussion über die Kennzeichnungspflicht digital manipulierter Pressebilder die Gemüter erhitzt hat. Der spätestens seit den 90er Jahren durchgehend verbreitete Einsatz von Layoutprogrammen in den Redaktionen sowie der endgültige Durchbruch der Digitalfotografie bei Profifotografen und ihren Agenturen bringen unaufhaltsam digitalisierte und damit leicht manipulierbare Bilder in Umlauf. Da aber bekanntlich schon die analoge Lichtbildnerei Möglichkeiten der Veränderung und Fälschung kannte und nutzte, sind dem Alltag der Fachwelt revolutionierende Konsequenzen ausgeblieben. Man setzt auf die Einhaltung ethischer Richtlinien im Journalismus, auf die sich die Fachverbände grundsätzlich verständigt haben. Wie wenig das im Einzelnen auf dem hart umkämpften Markt trägt, ist bekannt.
Hätte Michael Schäfer – wie ursprünglich geplant – eine Laufbahn als Fotojournalist eingeschlagen, würde ihn diese Frage wahrscheinlich auch beschäftigen. Sein heutiges Schaffen positioniert ihn jedoch weit abseits des Medientrubels. Wie die meisten von uns ist er selbst Konsument von Bildern, wenn er Zeitungen oder Nachrichtenmagazine liest.
Ausgebildet in visueller Kommunikation, ist Schäfer ein erfahrener Beobachter, was die Tonalität und inhaltliche Qualität von Fotografien angeht. So setzt sich seine jüngste Werkgruppe explizit mit Bildern aus dem Pressekontext auseinander. Die Arbeiten, die in den letzten eineinhalb Jahren entstanden, greifen in Magazinen gefundenes Bildmaterial auf und transportieren einzelne Sujets als teils rekonstruierte, teils abgewandelte Inszenierungen in die Kunstwelt.
Schäfer übernimmt neben den Bildinitialen bewusst auch die typische Bildsprache der Pressefotografie. So glaubt man auch aufgrund der vertrauten Ästhetik, diese Bilder schon irgendwo gesehen zu haben. Es handelt sich um jene Sorte, die wir als Mediengesellschaft täglich dutzendfach vorgeführt bekommen und die in der Flut der Bilder rasch und weitgehend unbeachtet wieder untergehen.
Wählt Schäfer ein Bild aus, geschieht dies spontan und erst im zweiten Schritt in Bezug auf den faktischen Hintergrund. Entscheidend ist der psychologische Gehalt einer Szene. Es geht stets um Menschen und darum, wie sich ihr Schicksal in der abgebildeten Szene niederschlägt. Für ihn sind Motive interessant, die menschliche Erfahrungen wie Scheitern, Schuld oder Verzweiflung illustrieren. Schäfer greift diese Aspekte auf, um sie in eigener Regie konzentriert fortzuführen. Die Vorlage dient ihm dabei als unverbindliche Inspirationsquelle. Er reduziert das Vorhandene nicht selten auf weniger Bildelemente, verstärkt oder abstrahiert stattdessen ihm wichtige Gesten und Details. Durch seine Modulation und die starke Vergrößerung auf Galerieformat entstehen autonome bildnerische Neuschöpfungen, die trotz erkennbarer Anhaltspunkte nicht mehr eindeutig verortbar sind. Eine solche Irritation und Öffnung des Originals für eine Umdeutung ist sein erklärtes Ziel.
Der Künstler betreibt einen sehr hohen Aufwand, um typengerechte Darsteller, stilechte Locations und originalgetreue Requisiten zu finden. Seine Bilder sind zwar das Gegenteil von dokumentarisch, dennoch baut ihre finale Wirkung vor allem darauf auf, dass bestimmte Komponenten so authentisch wie möglich wiedergegeben sind. Entscheidend für ihre tiefe Rätselhaftigkeit und Nachhaltigkeit bleibt jedoch, dass sie erahnbar Spuren von wahren Geschichten enthalten.
Bei der Herstellung dieser Bilder kommt der Fotografie an sich eher eine nachgeordnete Rolle zu. Viel wichtiger ist hier die finale Komposition am Bildschirm – es müssen oft unterschiedliche fotografische Bausteine passgenau montiert werden. Die Fotografie dient im Gesamtprozess als Mittel zur Reproduktion und Nachahmung. Vor allem aber vermag das Medium, wie auch schon bei den zugrunde liegenden „Originalen“ Vertrauen auf Echtheit zu wecken. Damit formulieren die Werke Schäfers gewollt oder ungewollt auch einen Kommentar zur Diskussion um den Wirklichkeitscharakter des fotografischen Dokuments.
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