Michael Schaefer
Textauszug_Invasive Links
Textauszug: Wenn es plötzlich knirscht in der Medienmaschinerie
Christin Müller in With/Against the Flow, Zeitgenössische fotografische Interventionen, #2 Michael Schäfer, 2016
... Für Invasive Links bedient sich Michael Schäfer bei LiveLeak. Diese Internetplattform öffnet unter dem Slogan „Redefining the Media“ einen virtuellen Raum für die Berichterstattung im Feld „News & Politics“. Ähnlich wie bei YouTube kann jeder Nutzer eigene Handyvideos hochladen, teilen und kommentieren. Solche Videosequenzen oder Filmstills von Bürgerjournalisten wuchern seit dem Irak-Krieg bis in die konservativsten Nachrichtenformate. Häufig etwas verwackelt und unscharf wirken die Videos authentisch und emotional, verlockend und erschreckend zugleich. (6)
Die Perspektive der Handykamera ist eingängig und weist auf ihre Aufnahmebedingungen hin – mitten aus dem Geschehen heraus hält jemand sein Mobiltelefon auf das, was vor ihm passiert. Fast im gleichen Augenblick flackert das Aufgenommene auf unseren Monitoren auf. Näher können wir kaum dran sein… Doch die Nähe ist ein Trugschluss. Die Unmittelbarkeit enthält eine versteckte Distanz. Zwar sehen wir mitten ins Geschehen hinein. Mareike Meis spricht sogar von einer „Körperlichkeit, die das Handy mitbringt, durch das verwackelte Bild, durch die Geräusche, die wir dort wahrnehmen“. (7) Beim Betrachten der Filme halten wir unser Mobiltelefon vielleicht genauso in der Hand wie der Filmende. Im Grunde nehmen wir die gleiche Position ein wie jemand, der durch ein Schlüsselloch schaut. Die Tür beziehungsweise der Screen ist dazwischen. Sie sind schützende Grenze und perspektivbestimmend. Wie das latente, digitale Bild bleiben wir körperlos, weil wir nur starr zuschauen, aber nie direkt eingreifen können.
Mit Invasive Links spielt Michael Schäfer durch, was passiert, wenn wir mitten im fotografierten oder gefilmten Geschehen drin sind, und stellt – stellvertretend für uns – ein paar junge Menschen Anfang zwanzig in ein pixeliges Handyvideo hinein. Das Video ist angehalten. Am Ort des Geschehens können wir uns in Ruhe umschauen. Ein junger Mann in Shorts blickt ratlos auf einen Soldaten, etwas entfernt fährt ein Panzer. Im zweiten Bild: Vier Personen stehen beisammen wie auf einer Party, hinter einer Mauer steigt eine Explosionswolke auf. Die Distanz zwischen Vorder- und Hintergrund, gefundener und hinzugefügter Bildwelt ist riesig. Hier hängt die feierwütige Generation Y ab, dort erfolgt die entschiedene Verteidigung von Land, Leben und Ideologien. Während die einen egozentrisch sorglos in der Welt herumtappen, zerfällt sie für die anderen in ihre existenziellen Einzelteile – wie das Foto in einem Graumatsch aus Pixeln...
(6) Vgl. Hito Steyerl, Die Farbe der Wahrheit, Wien 2013 (2008),S.7.
(7) Mareike Meis, zitiert nach: Klaus Deuse, Handyvideos. Den Tod dokumentiert, in:
http://www.deutschlandfunk.de/handyvideos-den-tod-dokumentiert.761.de.html?dram:article_id=316192 (29.1.2016).
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